Dänischer Klub macht’s vor

Mit inzwischen 653.000 Followern auf TikTok hat der Klub aus der 7.800-Einwohner-Stadt im Westen Dänemarks mehr als zwölfmal so viele Abonnenten wie der Deutsche Meister Füchse Berlin (52.000). Selbst die reichweitenstärksten deutschen Vereine – die Rhein-Neckar Löwen (203.000) und der THW Kiel (73.900) – liegen weit zurück. Auch auf YouTube ist Skjern führend: Über 100.000 Abonnenten, mehr als das Dreifache der Löwen.

Vom Experiment zum Erfolgsmodell

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„Am Anfang war schon die Frage da, warum wir Geld in Social Media investieren sollten“, erinnert sich Nicklas Thygesen, Kommunikationschef von Skjern Handbold. „Aber jetzt sehen alle, wie wichtig das für alle Parteien ist: Für den Verein als Marke, für die Spieler, für die Sponsoren – es macht für alle Seiten total Sinn.“

Thygesen begann vor sieben Jahren in Teilzeit, inzwischen sind sie zu zweit im Content-Team. Vor drei bis vier Jahren verschob sich der Fokus klar auf Video – und TikTok wurde zur zentralen Plattform.

Dieser Beitrag ist zuerst bei handball-world.news erschienen.

Ein Harztopf als Gamechanger

Der Durchbruch kam im Sommer 2022 – und er war nicht geplant. Beim Aufwärmen für ein Spiel griffen mehrere Skjern-Spieler in einen Topf mit Harz. Eine banale Szene am Spielfeldrand, zufällig eingefangen: Und plötzlich eines der meistgesehenen Sportvideos in Dänemark überhaupt. Über 100 Millionen Mal wurde der Clip weltweit angesehen.

„Wir waren sprachlos. Was ist auf dieser Plattform los? Es war total verrückt“, sagt Thygesen. Wenige Monate später stand die Followerzahl bei 600.000, ohne dass jemand im Team zuvor TikTok-Profi gewesen wäre.

Der erste Hype war riesig, doch das Content-Duo stellte schnell um: „Am Anfang war das Harz-Video sicher ein Schlüssel zum Erfolg. Aber mittlerweile fokussieren wir uns viel mehr auf echte Handball-Videos. Dadurch haben wir kurzfristig zwar Follower verloren, aber mittlerweile wachsen wir wieder.“ Heute zählt Skjern etliche Clips mit 20 bis 30 Millionen Views auf der Plattform.

Nicklas Thygesen/Skjern Handbold

Globale Reichweite – und ein überraschendes Publikum

Ein Blick in die Daten zeigt, warum TikTok für Skjern so attraktiv ist: Das Durchschnittsalter der Follower liegt bei 18 Jahren. Das ist höher, als viele Kritiker vermuten. Und die Verteilung zwischen Männern und Frauen ist mit 50:50 ungewöhnlich ausgewogen. Auf Instagram und Facebook liegt der Männeranteil bei rund 70 Prozent – ein Wert, der im Handball durchaus typisch ist.

Zudem ist TikTok für den Klub deutlich internationaler. Während Instagram und Facebook vor allem in Dänemark, Deutschland und Schweden stark sind, folgen Skjern auf TikTok Fans aus der ganzen Welt. „Wir bekommen Trikotanfragen aus Portugal, Spanien und den USA. Es ist erstaunlich“, sagt Thygesen.

Auffällig: Viele Kommentare drehen sich um Handball-Grundlagen – Was ist Harz? Wie funktionieren die Regeln? Das führte zeitweise sogar zu einem Projekt mit TikTok selbst, um den Sport einsteigerfreundlicher zu erklären. „Mein Gefühl ist, dass TikTok sehr am Sport und auch am Handball interessiert ist. Es ist selten, dass man mit Meta oder Google in den Austausch kommt. Bei TikTok ist uns das schon einige Male geglückt.“

Sponsoren überzeugen – noch nicht ganz einfach

Trotz aller Reichweite ist der wirtschaftliche Hebel noch ausbaufähig. „Skjern ist eine kleine Stadt, nur rund 7.000 Einwohner. Viele Sponsoren geben selbst nicht viel Geld für Social Media aus. Da muss man Überzeugungsarbeit leisten und aufzeigen, wie groß unsere Reichweite ist“, so Thygesen.

Bei nationalen Partnern stehe nach wie vor die Frage im Vordergrund, ob der Klub Champions League spielt. Digitale Kennzahlen hätten oft nur zweitrangige Bedeutung. Neue Sponsoren allein über Social Media zu gewinnen, gelingt bislang nicht. Was jedoch funktioniert: Bestehende Verträge dank der Reichweite höher zu bepreisen. „Ich glaube, das wird sich in wenigen Jahren ändern, wenn mehr junge Menschen in Führungspositionen kommen. Die werden den Wert nochmal mehr verstehen.“

Blick nach Deutschland und auf ungenutzte Chancen

Als Skjern vor einigen Wochen Mads Mensah verpflichtete, wusste Thygesen zwei Tage vorher Bescheid – genug Zeit, um den Transfer digital zu inszenieren. Das Ergebnis: Eine ganze Reihe von Clips und Bildern, die zusammengerechnet über 1,3 Millionen Aufrufe erreichten, ein neuer Vereinsrekord. Parallel dokumentierte das Team auch den Abgang von Noah Gaudin zu PSG.

„Ich wundere mich da schon ein wenig, dass ein verdienter Spieler wie Mads Mensah bei der SG Flensburg-Handewitt nur einen Abschiedspost bekommt und auch Marko Grgic nur mit einem Bild begrüßt wird“, sagt er.

Auch bei den Spielern selbst sieht Thygesen noch Potenzial: „Ich würde mir oft wünschen, dass sie mehr posten. Viele machen erst am Ende ihrer Karriere wieder mehr. Spieler aus anderen Ländern als Dänemark sind oft aktiver und verstehen eher, dass Reichweite ihrer Karriere helfen kann.“

Dranbleiben zahlt sich aus

Skjern war der erste Klub in der dänischen Liga auf TikTok – und ist bis heute mit Abstand der erfolgreichste. Viele Vereine haben versucht, das Modell zu kopieren, sind aber nach wenigen Wochen wieder ausgestiegen. Thygesen und sein Team hingegen produzieren alles selbst, reagieren flexibel und setzen nicht auf starre Pläne. „Oft explodieren gerade die Clips, die wir spontan mit dem Handy drehen – während aufwendig geplante Videos völlig untergehen.“

Auch auf YouTube ist Skjern inzwischen stark – über 100.000 Menschen folgen dem Kanal, der dank des plattformeigenen Partnerprogramms zwischenzeitlich sogar Einnahmen generiert.

Erfolgsgeheimnis Leidenschaft

„Der Klub ist für mich halt auch Leidenschaft – und ich glaube, so muss das auch sein“, sagt Thygesen. Vielleicht ist es genau diese Mischung aus Herzblut, Neugier und dem Mut, Neues auszuprobieren, die Skjern Handbold im Netz so besonders macht. Und so wird der Verein aus Midtjylland wohl auch in dieser Saison wieder beweisen, dass man nicht in der Champions League spielen muss, um Handballfans auf der ganzen Welt zu erreichen.

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